Stimmt das denn alles?
Kleine Nachschrift zur Knopfkönigin
Königsmorde und sonstiges zum geschichtlichen Hintergrund
Auch nach der herrscherlosen Zeit in der Mitte des dreizehnten Jahrhundert, dem Interregnum, das 1278 durch den Sieg Rudolf von Habsburgs über Premislaus Ottokar von Böhmen auf dem Marchfeld endete, war das Deutsche Reich alles andere als ein gefestigtes Machtgebilde, und in den folgenden Jahrzehnten ging die Reichskrone gleich an mehrere Herrscherhäuser.Rudolf hinterließ zwei Söhne, Albrecht und Rudolf. Dieser jüngere Rudolf starb früh, und Albrecht sollte seinem Vater als Herrscher nachfolgen, doch war es dem älteren Rudolf vor seinem Tod nicht mehr gelungen, das deutsche Reich zu einem Erbkönigtum zu wandeln. Um die allgemein bekannten habsburgischen Machtpläne zu durchkreuzen, wählten die Kurfürsten schließlich statt Albrecht Adolf von Nassau zum Reichskönig.
Wie in meinem Buch beschrieben, starb Adolf in der Schlacht bei Göllheim. Es ist ungeklärt, wer ihn zu Fall brachte und tötete, allgemein wird die Tat den Männern eines Raugrafen namens Georg zugeschrieben.
Wenzel der Dritte von Böhmen, der Letzte der Premisliden, wurde bereits mit sechzehn Jahren König und leider auch schon bald darauf heimtückisch ermordet. Bis heute ist die Tat ungeklärt.
Der Nutznießer seines Todes, Albrechts Sohn Rudolf, der Wenzel auf den Thron folgte, regierte ebenfalls nur sehr kurz. Offiziell raffte ihn nach einem knappen Jahr der Regentschaft die Ruhr dahin, doch kam sofort nach seinem Ableben der Verdacht des Giftmordes auf.
Von seiner ersten Gemahlin, Blanka von Frankreich, ist überliefert, dass ihr Einzug in die Stadt Wien aufgrund ihrer prächtigen und außergewöhnlichen Kleider lange Zeit das Gesprächsthema der Wiener Gesellschaft war.
Albrecht wurde tatsächlich von seinem Neffen Johann von Schwaben, der seinen verstorbenen Vater Rudolf und in der Folge sich selbst als um ihr Erbe betrogen wähnte, auf dem Heimweg von Winterthur erschlagen, auch die Geschichte mit dem Blumenkranz ist historisch belegt. Die flüchtigen Männer Johanns wurden gefasst und starben unter dem Rad. Von Johann, genannt Parricida, der Vatermörder (obwohl eigentlich Onkelmörder), fehlt hingegen seit der Tat jegliche verbürgte Spur. Das gelegentlich in der Literatur auftauchende Gerücht, er habe fortan sein Leben als bußfertiger Mönch in einem Kloster in Norditalien verbracht, ist eher unglaubwürdig. Wahrscheinlicher ist, dass er auf der Flucht umkam.
Mohammed an-Nasir, Sultan von Ägypten, war ein bedeutender und historisch bemerkenswerter Herrscher, der unter anderem ein modernes Steuerrecht einführte und die Rechte unterschiedlicher Bevölkerungsschichten einander anglich. Während seiner Herrschaft wurde Ägypten ein moderner Staat mit florierender Wirtschaft und weitreichenden Handelsbeziehungen in alle Teile der damals bekannten Welt. Unter ihm erreichte der Mameluckenstaat seine Blütezeit, bevor er unter seinen Nachfolgern zerfiel.
Die mittelalterliche Mode und die Erfindung des Knopfes
So unglaublich es erscheinen mag: Knöpfe wurden bis gegen Ende des dreizehnten Jahrhunderts tatsächlich nur zur Zierde oder bisweilen für Schlingenverschlüsse verwendet. Nachdem erstmals in Deutschland Kleider mit Knöpfen und den dazu gehörenden Knopflöchern geschlossen wurden, eroberte die Knopfmode im beginnenden vierzehnten Jahrhundert in Windeseile Frankreich, Italien und den Rest Europas.Trugen die deutschen Damen bis zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich Surcots, auch Cotten genannt, also lange Ober- und Unterkleider, die von Gürteln in Form gehalten wurden, so eröffnete vor allen Dingen die zu jener Zeit aufkommende burgundische Mode völlig neue Variationen: geschnürte und später geknöpfte Hemden, Mieder und Faltenröcke bestimmten in den folgenden Epochen die Schneiderkunst.
Die Herrenkleider unterschieden sich bis ins dreizehnte Jahrhundert nicht allzu sehr von der Damenmode: Man trug ein langes Überkleid und darunter Beinlinge, also eine Vorform der Leggings. Oft wurden die Unterschenkel mit Binden umwickelt, was möglicherweise ein praktischer Stiefelersatz, aber ästhetisch wenig ansprechend war. Etwa zur Zeit der Wende in das vierzehnte Jahrhundert kamen Wämser auf, hauptsächlich als ärmellose Westen, aber auch als hochgeschlossene Jacken, über denen ein Umhang oder, in der Westenvariante, ein vorne offenes Überkleid getragen wurde.
Der heute ausgestorbene Beruf des Knopfmachers wurde Mitte des vierzehnten Jahrhunderts in Nürnberger Chroniken erstmals erwähnt.
Die mittelalterliche Schuhmode war gelinde gesagt ein Trauerspiel: Hatten schon die alten Griechen und ganz besonders die Römer elegante Modelle und praktische Lösungen entwickelt, die sich gar nicht so sehr von heutigen Schuhen unterschieden, trugen deutsche Männer und Frauen bis ins Hochmittelalter unförmige Ledersocken, ohne echte Sohle und beinahe ohne jeglichen Chic. Erst mit der Wende zum vierzehnten Jahrhundert brachte der verstärkte kulturelle Austausch mit den südlichen Ländern und dem Orient frischen Wind in die Schusterei. Der im fünfzehnten bis sechzehnten Jahrhundert erfolgte Rückfall zu den so genannten Kuhmaulschuhen ist zum Glück nicht Gegenstand dieses Buches.
Ich habe mich in der Knopfkönigin eng an die tatsächlichen Ereignisse der Geschichte gehalten und historischen Persönlichkeiten soweit wie möglich ihren überlieferten Charakter belassen. Es gibt für mich als Autor nichts Faszinierenderes, als ungelöste historische Rätsel aufzuspüren, ihnen einen erzählerischen Hintergrund zu geben und vergessenen Ereignissen der Geschichte neues Leben einzuhauchen. Schön, dass es noch so viele ungehobene Schätze gibt!
Ich hoffe, dieser kleine historische Exkurs erhöht Ihre Spannung auf das Buch und wird Ihnen helfen, die historische Wahrheit in der Fiktion zu entdecken.
Ihr Rainer Siegel
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